Bankräuber nehmen einen Bus voller Menschen als Geisel und Journalisten steigen ein, um Interviews zu führen. Später sitzen sie in einem Auto mitten in der Innenstadt von Köln und wissen nicht weiter, bis ein Journalist sie zur Autobahn lotst. Das Geiseldrama von Gladbeck löste in Deutschland eine erste, breite Diskussion über journalistische Ethik aus – heute ist das, was die Journalisten damals taten, selbst für Anfänger keine Option mehr. Und dennoch: Auf der Suche nach einer exklusiven Geschichte würden sie vielleicht auch so handeln, sagten einige Stipendiat_innen. Etwa als „embedded journalists“ im Krieg, bei denen die Grenzen auch verschwimmen. Würde man aber auch sich zu einem Scharfschützen setzen, der auf der Straße Zivilisten beschießt?
Viel mehr als die Antworten sind es die schwierigen Fragen, die den Kern journalistischer Ethik ausmachen. Dass man in der Lage ist, sich selbst diese Fragen zu stellen und sie auch immer zufriedenstellend zu beantworten. Die Journalistin Gesine Dornblüth aus dem Journalistenbüro „text und töne“ in Berlin schaffte es, im Seminar die Diskussion immer wieder auf die Kernfragen zurück zu leiten, von der manche Diskussion abdriftete. Worin besteht das ethische Problem bestimmter Handlungen? Mit welchen Kriterien kann man sie bewerten?
Besonders kontrovers diskutiert wurde auch ein satirisches Gedicht der taz, das auf den Reim „Allah ist groß, Allah ist mächtig, er hat einen Arsch von ein Meter sechzig“ endet. Was ist die Grenze zwischen schlechtem Geschmack und moralischer Vergehen? Darf Satire alles?
Ja, entschied sich die große Mehrheit im Seminar. Nein, entschied aber tatsächlich der Deutsche Presserat. Doch obwohl der Presserat sich an einem sehr detailliert ausformulierten Kodex orientiert, ist er selbst auch nur ein Gremium aus Journalist/innen, die diese Fragen diskutieren und beurteilen. Ähnlich ist es bei anderen freiwilligen Selbstkontrollgremien, beispielsweise bei der Freiwilligen Selbstkontrolle Fernsehen, deren Geschäftsführer Joachim von Gottberg die Arbeit auf sehr unterhaltende Weise beschrieb.
Der Höhepunkt des Seminars war dann aber, als es ernst wurde: Gesine Dornblüth erzählte aus ihrer eigenen Arbeit, über Filme mit traumatisierten Menschen. Die Stipendiat/innen sahen sich diese Filme an und diskutierten darüber. Für viele war der letzte Vormittag der wichtigste Teil des Seminars.
Medienvielfalt, anders: Junge Migrantinnen und Migranten in den Journalismus
Mit ihrer gemeinsamen journalistischen Nachwuchsförderung ermöglichen die Heinrich-Böll-Stiftung, die tageszeitung «taz», radioeins vom Rundfunk Berlin-Brandenburg – rbb, die Agentur «Zum goldenen Hirschen» und die Deutsche Welle interessierten jungen Migrantinnen und Migranten einen Einstieg in den Journalismus. mehr »» Stipendiat/innen berichten über Veranstaltungen im Begleitprogramm